x.X Genau so! ... äh, nur... anders... irgendwie... X.x |
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»Guten Tag! Was kann ich für sie tun?«
»Guten Tag. … Herr Doktor… meine Freundin hat ein Problem...«
Besorgt schaut Veronica zu ihrer kleinen Freundin rüber. Faith sitzt schmollend mit verschränkten Armen auf einem Stuhl. Die Beine übereinander geschlagen und nervös das oberste hin und her pendelnd. Nicht selten trifft sie dabei den eleganten Schreibtisch des jungen Arztes, der sie gerade höchst aufmerkam mustert. Sicher nur, um rechtzeitig zwischen Fuß und Tisch zu hechten damit dem Möbelstück nix passiert. Blöde Kittelkartoffel...
»Soso… was fehlt Ihr denn...?«
»’hab meine Meise verloren...«, flüstert das zierliche Mädchen murmelnd vor sich her und schlängelt sich in einen gemütlicheren Teenagersitz. Ihr wisst schon... die Null-Bock Stellung bei der man dann immer gesagt bekommt, dass allein so wie man sitzt schon sagt, dass man keine Lust hat. So ganz oberschlau als bräuchte man ein Studium um das zu merken. Die abgesenkten Augen, der zwanghafte Zug sich abzulenken – und sei es nur das sportliche Durchhebeln der Gelenke, oder das geistesabwesende Nagen an der Lippe – die kleine Gummibärchenarmee von geseufzten Seufzer sind natürlich keine Hinweise darauf. Man kann ja ruhig seufzen, Kaugummi kauen und durch die Gegend spucken wie man möchte. Solange man anständig sitzt, strahlt man eine betriebsfähige und freundliche Aura aus. Und der Mittelfinger soll nur die Fahne halten... Faith rollt mit den Augen.
»Sie macht momentan eine ziemlich schwere Zeit durch...«
»Ich verstehe.«, bemerkt der Mann am anderen Ende des Tisches mit sicherem Nicken mit dem fachkundigen Gesicht eines Blubbermenschens. Seltsame Betonungen die schon beim Wortklang aggrossiv machen.
Der orangehaarige Zottelkopf weicht den neugierigen Glubschern des Docs aus und betrachtet die weiße Rauhfasertapete. Wenn ihre Eltern sich mal ein Hotel leisten konnten/wollten, hatten die da oft auch so eine Tapete. Faith lag dann meisst auf dem Bett und langweilte sich. Irgendwann entwickelte sie dann einen Zwang, diese merkwürdigen Pickelchen von dem Tapetenmuster zu kratzen. Was ragen die dann auch so verführerisch heraus? Faith bekämpft die Stimme in ihrem Kopf – weil sähe jetzt doof aus.
»Sie hatte da einen Freund...«
»Einen Freund? ... Oh, natürlich. Ich verstehe.«
Der Doktor schmunzelt. Im geistigen Auge ist er bereits von jähzornigen Glücksbärchis umgeben und an einen Materpfal befestigt. Mit spitzen Stöcken würde man ihn pieken und schikanieren bis er freiwillig nur noch auf öffentlichen Parkplätzen parkt! Natürlich ist in der Fantasie auch überall Feuer und Gekreische, aber nix tut weh oder so. Soll sich ja niemand verletzen.
»Er hatte sie geschlagen...«
»Ich hatte doch noch ein Match, Nica...«, brummelt das Bärchen zur Seite in Erinnerungen an den riesigen Tisch mit allerlei Süßkram bevor alles endete. So verführt man also kleine Engel die von Bäumen wachsen. Mit Obst und Speiseeis, Butterwaffeln und Rosinenbrot, Zimtschnecken und Puddingflunder! Was... was... was wohl aus denen geworden ist?
»... und deshalb ist sie jetzt so... traurig.«
»Ich verstehe...«
Der besorgte Blick hinter Veronica’s schwarzer Mähne durchbohrte Faith förmlich und trieb sich bis in den Beckenbereich. Unwohlsein. Schuldgefühle. Sorge. Hunger. Irgendetwas davon wird es wohl sein. Jedoch vermag der Effekt des doktor’schen Blickes eher Übelkeit hervorzurufen. Eine Flasche Rum wäre jetzt nicht schlecht. Austrinken und den Doktor taufen. Wäre das gemein, wenn man derart dazu genötigt wird? Bestimmt nicht... oder?
»Miss Lehaine… was sagen Sie denn dazu?«
Und schon wieder dieser blendende Scheinwerfer der Aufmerksamkeit der ihre gänzliche Null-Bock Position zu umscheinen vermag. Würde er denn aufstehen um das tun zu können. Macht er aber natürlich nicht. Dann bleibt ihm das neue Tattoo eben verborgen.
»Ich möchte den Telefonjoker verwenden und meine Mom anruf’n. Dazu hab ich ein Recht!«, entfährt es nun deutlicher aus den schmalen Lippen des Sugar Crumpets und hebt zugleich bestimmend ihre Rechte. Darin hält sie einen Zettel auf dem ein Vermerk gekritzelt wurde. Eine Nummer sowie der Hinweis: MOM.
Nica hebt skeptisch eine Augenbraue und schüttelt nach einem Moment resigniert den Kopf. Der Arzt ist perplex und hat mit einer solchen Antwort nicht gerechnet. Aber hat er denn nichts verstanden?
»Faith... was soll das…?«
»Mom anrufen!«
»Du kannst sie nicht anrufen, Faith...«
»Mom anrufen!!«
»Aber deine Mutter ist~«
»SOFOOOOOOOOORT!«
Faith ist der Ernst ins Gesicht geschrieben. Jedes Stück der Wange und Stirn versucht sich krampfhaft in den Augenhöhlen zu vergraben. Die weißen Zähne sichtbar aneinander gedrückt. Jeder, der zu verstehen weiß, würde die Nachricht dahinter bemerken.
»Lassen wir sie ihre Mutter anrufen. Vielleicht stabilisiert das ihre Hilfsbereitschaft, verstehen Sie?«
Natürlich tat Nica das. Sogar ohne Examen. Die rollenden Augen gab es aber als Nachspeise als Faith sich aufstellt, den Stuhl behutsam mit ihren Beinen wegdrückt und wortlos das Büro verlässt. Nica eilt in zügigen Schritten hinterher bei denen sie noch die Taschen der beiden schulterte. Im Korridor findet die schwarzhaarige Burlesque Tänzerin das Zirkusmädchen mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Der Hinterkopf schlug wie die Kriegstrommel der Grashüpfer gegen den Beton während ihre geschlossenen Augen ein buntes Farbspiel äußerten von rosa Wölkchen und Elefäntchen, goldenen Strohhälmchen und seidenen Vorhängen.
»Ich versuche nur zu helfen, Faith…«, flüstert Nica leise und hob ihre Hand zur Unterstützung auf die knochige Schulter des zotteligen Mädchens.
»Ich weiß… Aber das’ doch doof. Der hat null Ahnung von... pi pa po und allem...«
»Andererseits, du könntest~«
»’War nur meine Schuld, Nica. Ich wurde gewarnt und habs abbekommen. So is das einfach. Nu muss es weitergehen, nech?«
Faith quälte sich ein schiefes Lächeln auf die Lippen das Nica mütterlich empfängt und einen Schritt nach vorne geht um ihre kleine Freundin erst einmal in den Arm zu nehmen. Faith entgegnete der Umarmung nichts – spielte aber auch nicht mit. Die Arme schlaff nach unten hängend, an den dunkelroten Netzen der Strümpfe spielend.
»Aber wenn du mich hier herschleppen tust, stehn wir ja still, weisst? Das bringts ja auch nich. Nach vorne gehts, nich zurück oder nach unten oder nach oben. Vorwärts! Müssen eben nur noch auf den Wind warten.«
»Ja… aber nicht hier, Faith. Die Wände sind grau und kalt. Lass uns lieber zurück in die Halle gehen.«
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» If the rum is gone, have some tea «
» Ich stehe mit beiden Beinen fest in den Wolken! «
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» Arrive. Eat Cookies. Leave. «
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